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Squaw Hildegard Rose
Bilder 2001 – 2007

herausgegeben vom
Potsdamer Kunstverein e.V.*,
Potsdam 2007

20 x 28 cm, Hardcover, 49 Seiten
mit farbigen ganzseitigen Abbildungen
Texten von Hans-Jörg Schirmbeck
und Dr. Gernot L. Thiele, Biografie, Ausstellungsverzeichnis, Bibliografie

Gestaltung: Peter Rogge

ISBN  978-3-931640-64-4



erhältlich in der Ausstellung 12 €
und im Buchhandel 15 €

auf Bestellung währender Laufzeit der Ausstellung 15 € inkl. Versand:
per E-Mail
oder Telefon 0173 6148744 (Projektleitung)
0331 2715630 (Galerie)

 

Leseprobe

 

Gernot L. Thiele
Bilder und die Schatten der Nacht
Einige Noten zu den neuen Bildern von Squaw Rose

ein weiterer Text aus dem Buch zur Ausstellung  hier

Squaw Rose benutzt in ihren Bildern die blauwertige Farbe um einen Eindruck von Unverhülltheit zu erzielen. Die Bilder geben eine Transparenz der Flächenschichtungen, die einen Raumeindruck suggestiv entstehen lassen. Die Beleuchtung ist durchgängig unklar.
Es fehlt eine eindeutige Lichtquelle. Sichtbar ist ein transparenter, atmosphärischer Raum, in dem jede angedeutete Figuration schwimmt.
Wenn ich den Raumbegriff thematisiere, dann stelle ich mir die Frage nach einer möglichen Beschreibung des Raumes in den Bildern von Squaw Rose. Der Raum ist aufgebaut aus einem Verhältnis von farbigem Tiefenraum und Figurationen innerhalb dieses Tiefenraumes. Die Figurationen können dabei sowohl als anwesende Figurationen innerhalb dieses Tiefenraumes gelesen werden wie auch als Verschattungen innerhalb dieses Tiefenraumes, wenn wir Verschattung als ein optisches Phänomen verstehen, das für etwas Unkörperhaftes, Unsubstantielles steht. Der Schatten verbirgt. Er verbirgt das, was hinter ihm liegt, er verbirgt das, was unter ihm liegt, und er verschweigt das Objekt, das den Schatten wirft.
Wenn der Schatten verbirgt, wenn der Schatten verschweigt, wenn die eingeschriebenen Farbfelder verbergen, statt zu zeigen, wenn vielleicht gar der ganze Farbraum etwas verbirgt, statt etwas zu zeigen, weil er nur ein angefüllter Raum von Schatten ist – warum frage ich dann nicht danach, ob es sich bei den Bildern von Squaw Rose vielleicht um einen Ausdruck der verhüllten Nacht handeln kann? Die verhüllte Nacht nenne ich jene Art von Dunkelheit, in der jede Art von Sinneseindrücken sowohl aufgehoben wie auch übersteigert ist. Übersteigert in der Weise, daß nichts Gewohntes angerührt wird. Die Nichtidentifizierbarkeit von eingeschriebenen Figurationen evoziert ein Moment von Stille, das im Dunkeln schwebt. Der Blick bleibt hier nicht stehen. Er geht um die Figurationen herum und durch die Farbschichten hindurch in den Tiefenraum. Was ist wo? Und was ist was?
Das Unbenennbare der Figurationen – ihre formal begriffliche Unbestimmbarkeit – stellt die Frage nach Durchlässigkeit in Verbindung mit der Transparenz und der Durchlässigkeit des Bildraumes. Die Frage nach Durchlässigkeit ist zugleich die Frage nach einer gegebenen Verhülltheit. Ein scheinbarer Widerspruch. Durchlässigkeit und Verhülltheit stehen sich nicht entgegen. Nur das, was verhüllt ist, kann zu einer Frage nach Durchlässigkeit aufrufen und muß dies tun.
Das Verhüllte in Squaw Roses Bildern ist zu verstehen als unsere Unfähigkeit zu begriffsbestimmenden Bezeichnungen. Wir haben gar keine andere Chance, als die Bilder von Squaw Rose als durchlässig zu sehen. Daß wir diese Durchlässigkeit nicht weiter zu beschreiben vermögen, ist darin begründet, daß bei der Ansicht der bildlichen Individualitäten und der Allgemeinheit unserer sprachlichen Begriffe keine Entsprechungen möglich sind.
Squaw Roses Bilder der Nacht sind für uns Bilder der verhüllten Nacht, in der die Schatten für eine unsubstantielle Erscheinungswelt stehen. Wenn das Bild sich nur als Erscheinung äußert, dann stellt sich die Frage: Was erscheint? Ein Raumkontinuum, das wir nur begrifflich allgemein als ein Kontinuum zu benennen vermögen? Und was ist innerhalb dieses Raumkontinuums? Das Bild verschweigt und kann damit nur das Unsagbare meinen.
Squaw Roses Malerei ist experimentell ausgerichtet. In der montagehaften Verwendung von blautonigen Röntgenfotografien ist die Suggestion des unendlichen Tiefenraumes durch das verwendete Material mit seiner tonalen Transparenz vorgegeben. Die Figurationen innerhalb der Röntgenfotografien sind Verschattungen im unendlichen Raum, die sich in unsubstantieller Qualität zeigen.
Ein Eindruck von Raum oder Tiefenraum entsteht dadurch, daß Orte in einem Raum markiert werden, die einen Eindruck von hier-vorne und dort-dahinter bezeichnen. Die Einschreibung von Figurationen in die Farbflächen bezeichnet Orte im unendlichen Raum. Wir finden aber nichts weiter als unsagbaren Raum.
Die Nacht kann in ihrer Dunkelheit als durchlässig gesehen werden, wenn wir akzeptieren, daß wir in dieser Durchlässigkeit keine Individualitäten sprachlich benennen können. Die Nacht ist uneindeutig, und die Nacht – wenn es die verhüllte Nacht ist – muß in der Umsetzung im Bild uneindeutig sein und bleiben. Die Nacht im Bild bleibt damit ein Typus, der sich auch im Akt unserer Wahrnehmung nicht individualisieren kann. Die Nacht hält Spektren bereit, in denen ich mich subjektiv fragend der Verhülltheit annähern kann, nach Durchlässigkeit fragend und suchend, vielleicht auch erwartend, vielleicht auch erschauernd bemerkend, vielleicht auch voller Furcht.

© bei Squaw Hildegard Rose und dem Autor, Online-Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung
    Rechtschreibung entsprechend der Schreibweise des Autors

 

 

 

* mit freundlicher Unterstützung der Landeshauptstadt Potsdam
Fachbereich Kultur und Museum

 

 

 

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